Wie Du als Blogger einen guten Produkttest schreibst

Mirko Schubert
Flussabwärts

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Immer wieder kommen mir die unmöglichsten Geschichten zu Ohren, wie die Unwissenheit der Blogger von Firmen und Agenturen bei so genannten »Kooperationen« ausgenutzt wird. Und oftmals werden sie mit zum Blog passenden Produkten geködert, die sie zum ausführlichen Test erhalten und anschließend — quasi als Vergütung — behalten können.

(Bild: pixabay.com / CC0)

Natürlich freut sich jeder Blogger darüber, wenn er interessante Produkte testen und empfehlen kann. Mit steigender Reichweite — und seien es nur 100 Besucher am Tag — kommen immer mehr Hersteller und Agenturen auf den Schreiberling zu, um ihm eine »Kooperation« anzubieten.

Dabei muss es nicht unbedingt um Rezensionen gehen. Auch Anleitungen oder Kaufberater können geschrieben werden. Hauptsache der Partner bekommt ein, zwei Links zu seiner eigenen Webseite oder seinem Produkt. Schließlich profitiert er von der Reichweite des Bloggers sowie vom Vertrauen, die ihm die Leser entgegen bringen.

Das Problem mit Kooperationen

Im Gegenzug wird eine Vergütung vereinbart. Im besten Fall sind das ein paar 100 Euro, denn schließlich soll der Artikel ja mindestens ein Jahr, wenn nicht gar für die gesamte Lebenszeit des Blogs im Netz stehen und viele neue Kunden generieren.

Jedoch gibt es auch genügend Agenturen, die für ihre Kunden selbst bei geringem Budget alles tun würden. Da erlebt und hört man die kuriosesten Sachen:

  • Ich habe schon jede Menge Kooperationsanfragen bekommen, bei denen sich die Agentur nicht mal die Mühe gemacht hat, überhaupt mal auf die Webseite des potentiellen Partners zu schauen, geschweige denn, die Zielgruppe zu analysieren. Die behaupten dann, dass der Autokredit garantiert zum Minimalismus-Blog gehört oder die Luxus-Uhr zum HartzIV-Blog.
  • Teilweise wird der Blogger sogar dazu angestiftet, gegen das Gesetz zu verstoßen. Besonders häufig wird ausgeschlossen, den bezahlten Artikel als »Werbung« oder »Anzeige« zu kennzeichnen. Dass das gegen §58 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) verstößt, sollte der Blogger wissen und auch unbedingt der Anfrage widersprechen.
  • Auch andere Vorgaben, wie etwa Do-Follow-Links (ich finde die Diskussion darum allerdings uninteressant, solange man keine ganze Linkfarm anlegt) oder obligatorische Posts in den sozialen Medien, werden dem Blogger gerne unterbreitet.
  • Bei Produkttests wird häufig dazu geraten, nur positiv über das Produkt zu berichten. Oder es wird gar nicht erwähnt, aber im Nachhinein stellt die Agentur die Zahlung ein und droht mit einem Anwalt.
  • Bei der Vergütung hingegen wird der Blogger ebenso gerne ausgenutzt. Da soll man den getesteten 5-Euro-Artikel im Anschluss behalten. Oder man bekommt sogar gar nichts — man »helfe sich ja gegenseitig«.
  • Selbst wenn man sich auf eine angemessene Vergütung geeinigt hat, heißt das noch lange nicht, dass man sie bekommt. So habe ich schon von Fällen gehört, die Monate später noch um ihr Geld betteln mussten. Mir ist das zum Glück nie passiert, was aber auch daran liegen könnte, dass meine Kunden auf der Rechnung ein Zahlungsziel von 14 Tagen bekommen und danach automatisch im Verzug sind.

Dies hat alles nichts mit einem ordentlichen Produkttest zu tun, ja, man sollte es noch nicht einmal »Kooperation« nennen. Das ist und bleibt einfach ein Werbevertrag, den man auch unbedingt vernünftig aushandeln und schriftlich fixieren sollte.

Kooperationen sind Werbung — nicht mehr und nicht weniger

Leider kennen es viele Blogger gar nicht anders. Denn als Webseiten-Betreiber im Allgemeinen und Blogger im Besonderen muss man nun mal die aktuelle Rechtslage im Blick haben. Angefangen vom Urheberrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht, Datenschutzrecht und Telemediengesetz bis hin zum Rundfunkstaatsvertrag.

Bei letzterem ahnen viele noch nicht mal, dass sie dem überhaupt unterstehen. Rundfunk? Ist doch nur Radio und Fernsehen! Dass dies nicht so einfach ist und viele Blogger sich zumindest einmal mit einem Teil des RStV auseinander setzen müssten, habe ich ja schon an anderer Stelle geklärt.

In fünf Schritten zum echten Produkttest

Vor Unwissenheit ist keiner gefeit und wie man vernünftig an ein Testprodukt heran kommt, wenn man mal die Werbe-Artikel außer acht lässt, weiß keiner so richtig.

Deshalb möchte ich mal aus meiner journalistischen Praxis darüber berichten, wie man eine unabhängige Rezension schreibt und das ganze Drumherum organisiert. In ganz einfachen Schritten:

1. Suche Dir das Testprodukt aus.

An erster Stelle steht das Produkt. Mit welchen Artikeln hast Du schon einmal geliebäugelt? Gibt es gerade etwas Neues von Deinem präferierten Hersteller? Da viele Blogger ja ihre persönlichen Vorlieben in das Thema ihres Blogs mit einbringen, ist es nicht verkehrt, sich das einmal zu fragen.

Zumal Du Dich als Testperson auch immer mit dem Produkt auskennen solltest, damit Du eine objektive Rezension schreiben kannst. Auch Deinen Lesern nützt es nichts, wenn Du gar nicht weißt, worauf es bei der Produktgruppe ankommt.

Apropos Leser… Hierauf solltest Du besonders Deinen Fokus legen. Welche Produkte passen denn zum durchschnittlichen Leser Deines Blogs? Welche könntest Du mit gutem Gewissen empfehlen? Und vielleicht hat sogar der eine oder andere Deiner Besucher einen bestimmten Wunsch?

2. Kümmere Dich um ein Rezensionsexemplar

Sofern Du nicht schon ganz viele Produkte von einem Hersteller getestet hast, kommt keiner von denen von selbst auf Dich zu. Das tun nur vermeintliche »Kooperationspartner«. Auch wäre es ein schlechtes Zeichen, wenn sie Dir ungefragt etwas zusenden.

Das »Bestellen« ist auch gar nicht so schwer. Jeder ernst zu nehmende Hersteller hat eine Presseabteilung. Die ist dazu da, mit Journalisten und Bloggern wie Dir zu kommunizieren. Viele Herstellerseiten haben dazu auch einen eigenen Pressebereich, in dem nicht nur der Pressekontakt steht, sondern auch aktuelle Pressemeldungen und oft sogar Pressebilder zum Download, die zur Veröffentlichung freigegeben sind.

Sollte einmal kein Pressekontakt auf der Herstellerseite stehen, wurde meistens eine PR-Agentur beauftragt, die das Unternehmen vertritt. Dann heißt es, etwas mehr zu recherchieren und den richtigen Kontakt zu finden. Kleiner Tipp: Suche nach Pressemeldungen zu neuen Produkten oder Dienstleistungen des Herstellers. Dort steht in der Regel immer der dazugehörige Pressekontakt dabei.

Nun heißt es, Hörer in die Hand und anrufen. Beim Erstkontakt solltest Du Dich und Deinen Blog kurz vorstellen. Manchmal ist auch die Reichweite interessant — ein »Media Kit« fordert aber niemand außer potentielle Werbepartner.

Wenn Du up-to-date bleiben möchtest, lass Dich in den Presseverteiler eintragen. Richte Dir aber am besten eine extra E-Mail-Adresse dafür ein, damit Du Dich nicht genervt fühlst.

Frage zu guter Letzt einfach nach einem Rezensionsexemplar — in der Regel wird es der Pressekontakt gerne versenden.

3. Teste das Produkt umfangreich und objektiv

Nun hast Du das Produkt erhalten und stehst vor der schweren Aufgabe, es zu testen und einen Bericht dazu zu schreiben. Wenn nicht anders vereinbart, steht Dir das Rezensionsexemplar meistens zwei bis vier Wochen zur Verfügung.

Mache Dir unbedingt vorher einen Plan. Welche Kriterien sind besonders wichtig? Worauf würde ein Kunde vor dem Kauf achten? Wie ausführlich kannst Du es in der kurzen Zeit testen?

Beleuchte das Produkt von so vielen Seiten wie möglich, versuche Schwachstellen zu finden, aber auch Stärken. Versuche auch, auf alle Eventualitäten einzugehen, die auf den Käufer zukommen könnten.

Beispiel gefällig? Wenn ich z.B. einen E-Book-Reader teste, achte ich nicht nur darauf, ob das Gerät leicht und robust ist und genügend Bücher drauf passen, sondern auch, ob ich Bücher schnell und einfach beziehen kann, ich mir das für meine Augen anpassen kann, Sehbehindert sich das vorlesen lassen können, ich es im Stehen, Sitzen, Liegen, im Dunkeln, in der Sonne, im Regen oder am Strand nutzen kann; ob ich mir Notizen machen und sie synchronisieren kann oder bei fremdsprachigen Büchern kein extra Wörterbuch brauche, um etwas nachzuschlagen.

Sortiere Deine Erkenntnisse und schreibe anschließend einen gut strukturierten Artikel mit allen Vor- und Nachteilen und einem abschließenden Fazit. Entscheide auch nicht nur, ob Du das Produkt empfehlen kannst, sondern auch für wen es besonders geeignet erscheint.

4. Sprich mit dem Pressekontakt

Als Blogger oder Journalist hast Du aber auch Verpflichtungen. Nicht nur die im dritten Punkt angesprochene Objektivität ist von Vorteil. Auch sollten alle Fakten korrekt sein und nicht einseitig berichtet werden.

Insbesondere bei Fehlern und Kritik ist Vorsicht geboten. Schnell tritt der Fehler nur im Einzelfall oder in einer Produktionsreihe auf und der Hersteller hat ihn schon mit einer neuen Version eliminiert. Sprich auf jeden Fall immer mit dem Pressekontakt, wenn Dir etwas komisch vorkommt. Gerne schicken sie Dir dann auch ein anderes Exemplar zu.

Für den Leser ist auch immer ein Statement des Unternehmens von Vorteil. Oder Du fragst mal eine andere Stelle (z.B. den Datenschutzbeauftragten oder die Verbraucherzentrale) nach einem Zitat, wenn es um schwerwiegende Kritik geht.

Die Aussagen (oder auch ein ganzes Interview) solltest Du Dir aber auch immer gegenbestätigen lassen. Schreib die Aussagen des Pressekontakts so auf, wie Du sie verwenden möchtest, und schreibe auch Namen und Stellung dazu. Schicke ihm anschließend den gesamten relevanten Text per E-Mail und lasse ihn bestätigen oder ggf. korrigieren.

Warte geduldig auf die Antwort — ein paar Stunden können schon mal vergehen. Denn schließlich haben sie sehr viele Anfragen. Und manche haben es eiliger als Du.

Nichts ist ärgerlicher, als falsche Recherchen oder rufschädigende Inhalte öffentlich richtig stellen zu müssen. Dazu bist Du im Falle der Fälle nämlich verpflichtet (§56 RStV).

5. Schicke das Rezensionsexemplar wieder zurück

Spätestens nach dem Testzeitraum solltest Du das Rezensionsexemplar natürlich auch wieder zurück schicken. Denn es wird in den meisten Fällen dann gleich an die nächste Redaktion geschickt.

Ausgenommen hiervon sind natürlich Produkte, die Du verbrauchen kannst (z.B. Lebensmittel, Drogerieartikel) und personalisierte Artikel wie etwa das Armband mit Lasergravur oder die Software-Lizenz.

Das Testprodukt ist keine Bezahlung! Im Gegenteil — es hat sich so eingebürgert, dass Du selbst die Rücksendung übernehmen solltest. Sonst können Dir Leser schnell unterstellen, dass das ja doch nur Werbung ist und Du dafür bezahlt worden bist.

Das passiert mir auch manchmal in Blogs, weil viele Leser schon gewohnt sind, dass Tests bezahlt werden. Wer aber die Rezension auch wirklich durchliest und merkt, dass sie unabhängig und objektiv geschrieben wurde, kann nur an Vertrauen gewinnen. Im Gegensatz zu »Kooperationen«.

Darüber kann man natürlich diskutieren. Ja, auch unabhängige Tests sind eine gute Werbung für das Produkt und/ oder Unternehmen. Selbst wenn sie zerrissen werden, bleiben sie in aller Munde. Der kleine, feine Unterschied ist aber, dass Du eben keinen Vorteil daraus geschlagen hast und in Deiner Meinung beeinflusst worden bist.

Die Sache mit der Bezahlung

Du hast nun mehrere Wochen ein Produkt getestet, viele Stunden Arbeit in das Verfassen des Reviews gesteckt, am besten noch einen Fotografen oder Lektor bezahlt und die Rückversandgebühren auch noch übernommen? Dann willst Du natürlich auch Deine Kosten wieder rein bekommen. Und bei der aufgewendeten Zeit vielleicht auch ein bisschen mehr, um auch mal Brötchen oder Kaffee kaufen zu können.

Das ist alles kein Problem. Natürlich kannst Du weiter Werbung machen. Du kannst sogar das soeben getestete Produkt mit einem Affiliate-Link oder Banner bewerben. Natürlich getrennt vom eigentlichen Artikel und immer schön gekennzeichnet.

Deine Leser werden es Dir danken. Denn je mehr unabhängige Rezensionen Du verfasst, desto mehr Vertrauen werden sie in Dein Urteilsvermögen setzen und desto eher werden sie auch Deine Werbung annehmen.

Windige »Kooperationen« sind eben immer so eine Sache. Denn schnell schreit das soziale Kollektiv nach Schleichwerbung. Vertrauen ist eben schnell missbraucht. Und dann kräht kein Hahn mehr nach Dir.

(Anmerkung: Natürlich kannst Du durchaus zusätzlich auch weiter auf gut vergütete und rechtlich einwandfreie Werbeartikel setzen — das Eine schließt ja das Andere nicht aus.)

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